Apothekenvergütung: „Es wird nie mehr so werden, wie es einmal war“

04.12.2024

Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sorgt weiterhin für viel Aufregung. Vor allem zwei geplante Änderungen stehen im Fokus der Öffentlichkeit: Die gewünschte Ausweitung von Impfungen in Apotheken wird insbesondere von Standesorganisationen der Ärzte abgelehnt. Ebenfalls in der Kritik steht das Vorhaben, in Zweig-Apotheken die Anwesenheitspflicht von approbierten Kräften weitgehend aufzuweichen. Doch der Gesetzentwurf aus dem Hause Lauterbach birgt noch viel mehr Sprengstoff.



Es geht wie so oft ums Geld. Der Bund will die Vergütungsstrukturen von Apotheken ändern. Nicht dass es mehr Geld für Apotheken geben soll, es wird im Großen und Ganzen nur umgeschichtet. Und das könnte für viele Apotheken unangenehme Folgen haben. Diese Erkenntnis setzt sich nicht unbedingt in der Öffentlichkeit, aber langsam in der Branche durch, wie der Berliner Versicherungsmakler Michael Jeinsen berichtet:"In jüngster Zeit haben drei Apotheker angekündigt, dass Sie ihr Geschäft aufgeben. Der neue Gesetzesentwurf sei der Tropfen, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringe, ist die Begründung."

Worum geht es? Das Gesundheitsministerium begründet das geplante Apotheken-Reformgesetz mit der Notwendigkeit die Versorgung auf dem Land zu erhalten. In dem Entwurf heißt es dazu: "Es besteht Handlungsbedarf, um die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln mittel- und langfristig weiterhin zu sichern. Deshalb sollen mit diesem Gesetz die notwendigen Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche geschaffen werden." Die ins Auge gefassten Maßnahmen sollen zu strukturellen und finanziellen Anpassungen führen. Während strukturelle Änderungen bereits heftig in der Öffentlichkeit kritisiert werden, bleiben die finanziellen Anpassungen weitgehend unterbelichtet.

Ministerium will Landapotheken stärken

Zu den finanziellen Umschichtungen gehört unter anderem eine Verbesserung der Vergütung von Nacht- und Wochenend-Diensten. Da laut Ministerium Apotheken in ländlichen Gebieten deutlich mehr solcher Notdienste leisten, dürften Landapotheken auch stärker von dieser Maßnahme profitieren. Konkret sieht der Entwurf vor, dass es für einen Vollnotdienst pauschal rund 550 Euro geben soll. Zudem werden die packungsbezogenen Zuschläge zur Vergütung von Notdiensten um rund 30 Prozent von 21 Cent auf 28 Cent pro Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels erhöht.

Doch das ist nur eine von mehreren Maßnahmen. Aus Sicht von Brancheninsider Hartmut Pielot, Manager bei der Pharm-Net und seit über 20 Jahren in der Pharma-Branche tätig, kann eine weitere geplante Umschichtung bei den Vergütungen Apotheken in ernste Bedrängnis bringen. Eine für viele Apotheken brandgefährliche Änderung erkennt er in der geplanten stufenweisen Absenkung des prozentualen Anteils der Apothekenvergütung von drei auf zwei Prozent. Zwar sollen die freigewordenen Mittel für eine Erhöhung des Fixums genutzt werden. Doch diese Umschichtung kann vielen Apotheken wirtschaftlich das Genick brechen befürchtet Pielot.

"Es wird von einer 'Stärkung der Grundversorgenden' Apotheke gesprochen. Bis zu einem Arzneimittelpreis von 65 Euro mag das richtig sein, aber spiegelt dies ausreichend die aktuelle Entwicklung der Arzneimittelpreise wider?", fragt Pielot. Offensichtlich nicht, lautet seine Antwort. Die Zwischenfinanzierung von höherpreisigen und Hochpreisartikeln vom Einkauf bis zur Erstattung durch Abrechnungsstellen seien vom Referentenentwurf unzureichend bewertet.

Preissteigerungen von 88 Prozent bei Medikamenten

Zur Entwicklung von Arzneimittelpreisen hatte sich die AOK im November geäußert. Damals klagte die Krankenkasse:"In den vergangenen zehn Jahren sind die Kosten für Medikamente um ganze 88 Prozent gestiegen." Preistreiber seien vor allem patentgeschützte Präparate. Pharmafirmen forderten mittlerweile für eine Packung eines neuen und patentierten Medikaments mitunter 10.000 oder sogar 20.000 Euro. Dass es noch teurer geht, bewies schon 2020 Novartis. Für eine Spritze des Genmedikaments Zolgensma wurden 2,26 Millionen Euro (inkl. Mehrwertsteuer) verlangt.

Doch zurück zu den Apothekenvergütungen: Für Pielot ist der zur Entscheidung anstehende Gesetzesentwurf auch ein Warnschuss für Apotheken. "Es ist definitiv Zeit, sich aktiv mit der Situation auseinanderzusetzen." Eines dürften sich Inhaber auf keinen Fall machen: Hoffnungen, dass es eine positive Umkehr zur alten Situation gibt. "Es wird bei der Vergütung nie mehr so werden, wie es einmal war", ist der Manager überzeugt.

Für den Pharm-Net-Manager gibt es zudem eine weitere Passage in dem Gesetzesentwurf, die bei Apothekern möglicherweise falsche Hoffnungen wecken könnte. Es geht um die neue Definition der Arzneimittelpreisverordnung in Paragraf 2 des Entwurfs. Demnach kann der Großhandel "auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 73 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben". Darüber hinaus darf auf Abgabepreise von Pharmaunternehmen ohne die Umsatzsteuer "höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro erhoben werden". Immerhin soll die "Gewährung von handelsüblichen Rabatten oder Vergünstigungen zulässig" sein, auch wenn es anderslautende Bestimmungen gebe.

"Der Großhandel hat aus Fehlern gelernt"

"Aber ist zu erwarten, dass die Rabatte wieder die ursprüngliche Dimension erreichen werden?" Nein, ist Pielot überzeugt. "Die vom Großhandel in der Vergangenheit gewährten Rabatte hatten, getrieben durch den Wettbewerb, ein Niveau erreicht, das bei gestiegenen Kosten im Großhandel zu teilweise defizitären Situationen geführt hatte. Hieraus hat der Großhandel gelernt. Es ist zu erwarten, dass die Wiederholung einer solchen Situation vermieden wird."


Auch beim Bundesverband ABDA stoßen die finanziellen Pläne des Gesetzentwurfs auf Ablehnung: "Die Honorierung wird zwar umstrukturiert, aber es kommt kaum weiteres Geld in das bereits seit Jahren unterfinanzierte System der Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort", monierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening.

Der Referentenentwurf sieht zudem noch eine große Leerstelle für alle Beteiligten im Arzneimittelgeschäft vor: "Mit Wirkung zum 1. Januar 2027 soll die Anpassung des Fixums durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) per Vereinbarung erfolgen." Ob sich bei diesen Verhandlungen die Vertreter der Apothekeninteressen behaupten können, ist überhaupt nicht ausgemacht. Die künftigen Anpassungen des Fixums könnten daher die Lage von Apotheken weiter verschärfen. 


Der Gesetzentwurf ist laut Hartmut Pielot der zweite Schlag, der Apotheken in diesem Jahr trifft. Zur Erinnerung: Am 08.02.2024 wurde vom Bundesgerichtshof ein Urteil zur Skontogewährung gesprochen. Nach entsprechender Begründung vom 12.04.2024 haben die pharmazeutischen Großhandlungen ihre Rabattgewährungen gegenüber Apotheken nach unten angepasst. "In Folge ist es in allen Apotheken zu Ertragsreduzierungen gekommen", berichtet der Manager.

Er empfiehlt Inhabern, sich über Möglichkeiten der Ertragsoptimierung zu informieren und dann auch zu handeln. Firmen wie die Ludwigshafener Pharm-Net prüfen aktuell die Situation von Apotheken, auch im Hinblick auf anstehende gesetzliche Veränderungen. Auf Basis dieser Ergebnisse würden dann Wege zu einer Steigerung von Erträgen entwickelt. Pielot betont: "Wer sich jetzt nicht auf die Änderungen einstellt, dürfte es künftig schwer haben, am Markt zu bestehen."